Ihr habt wieder ein paar wirklich tolle Fragen gestellt und hier sind schon die Antworten. Ein großes Dankeschön an Ulrike Bliefert und den Arena Verlag für den Kontakt. Wer ein signiertes Exemplar von "Eisrosensommer" gewonnen hat, erfahrt ihr wie immer am Ende des Interviews. Viel Spaß damit wünsche ich euch
netty
Meine Frage lautet ob sie einen Lieblingsplatz zum schreiben hat und wenn ja warum und wo?
Ulrike Bliefert
Mein Lieblingsplatz ist der Küchentisch in einem alten Haus in den ligurischen Ölbergen, mit Blick auf das Tal, und - ganz hinten, hellblau - das Mittelmeer. Bei klarem Wetter sieht man Korsika. Das Dorf hat 50 Einwohner. Warum das mein Lieblingsplatz ist? Es passiert da oben den ganzen Tag lang....garnichts! Und das ist einfach ideal zum Schreiben!
Franzi
Wie sind Sie zum Schreiben gekommen und gerade Thriller?
Ulrike Bliefert
Ich habe jahrelang neben der Schauspielerei Drehbücher geschrieben und hatte irgendwann keine Lust mehr, die Ideen von Redakteuren umzusetzen, kurz: ich wollte endlich meine eigenen Geschichten schreiben!
Thriller schreibe ich, weil ich selbst am liebsten Thriller und Krimis lese. Mir macht das Miträtseln Spaß und ich finde die Untiefen der menschlichen Psyche einfach hochinteressant. Allerdings mag ich die zurzeit viel gelesenen blutrünstigen Serienkiller-Geschichten überhaupt nicht. Das Phänomen “Serienkiller“ ist ein US-amerikanisches Phänomen. In Deutschland gab und gibt es so etwas zwar auch, aber die Häufigkeit seines Vorkommens wird völlig überschätzt. Ich halte mich lieber an die Realität, sowohl beim Schreiben, als auch beim selber Lesen.
netty
Wie lange brauchen sie um ein Buch fertig zu schreiben???
Ulrike Bliefert
Für Recherche und Konzeption zwischen 2 und 3 Monaten, zum Schreiben selbst brauche ich 3-5 Monate. Allerdings arbeite ich ja auch noch als Schauspielerin; d.h. ich sitze in dieser Zeit nicht ununterbrochen am Computer.
netty
Liest ihre Tochter auch ihre Bücher???
Ulrike Bliefert
Ja, zum Beispiel als Hörbuch („Lügenengel“ und „Voll verliebt im Tor“) ;o)
Ansonsten schicke ich ihr meist die ersten 25 Seiten und frage sie, ob sie „hooked“ ist; d.h. ob die LeserInnen ihrer Ansicht nach Lust haben, weiter zu lesen. Da Anna Medienwisenschaftlerin ist, kann ich mich auf ihr Urteil verlassen...
netty
Wie sind sie zum Schreiben gekommen?
Ulrike Bliefert
Ein Freund von mir wollte eine Fernsehserie schreiben, die in einer Neubausiedlung spielt. Da wir damals (1986) gerade in einer solchen lebten, bat er mich, Fotos zu machen und ein wenig zu recherchieren. Als er zum verabredeten Zeitpunkt nicht (von Frankfurt aus) nach Köln kommen konnte, schrieb ich – mit seinem Einverständnis - schonmal eine erste Folge und gab sie der Besetzungsschefin beim WDR, mit der Bitte, uns zu sagen, ob das Projekt Chancen habe. Sie reichte mein Manuskript an einen Filmproduzenten weiter und der engagierte mich vom Fleck weg für eine eigene – allerdings ganz andere! - Serie. Ich schrieb hintereinander 34 Folgen à 50 Minuten und war plötzlich und ohne es geplant zu haben ...: Autorin! ;o)
netty
Was machen sie lieber, schreiben oder schauspielern???
Ulrike Bliefert
Ich mache beides gleich gern. Als Schauspielerin ist man mit vielen Menschen zusammen, als Autorin sitzt man mutterseelenallein vor seinem PC: das reinste Wechselbad! Aber genau diese Abwechslung macht die Kombination der beiden Berufe so reizvoll!
LiteraturFee
Was gefällt Ihnen mehr: Eigene Geschichten und Ideen niederzuschreiben oder die Geschichten anderer als Schauspielerin darzustellen?
Ulrike Bliefert
Das kommt darauf an. Leider sind Drehbücher heutzutage oft das Ergebnis vieler Köche, die bekanntlich den Brei verderben (RedakteurIn, Programmleitung, Produktion, und bis zu 4 verschiedene AutorInnen: alle müssen sich – egal, ob begabt oder nicht! – „einbringen“!). Insbesondere die Dialoge sind mitunter unerträglich hölzern. Dann muss man als Schauspielerin sowieso nochmal „über die Bücher“, um das ganze spiel- und sprechbar zu machen. Insofern: wenn ein Buch gut geschrieben ist, spiele ich es auch gern. Wenn nicht... spiele ich es meist auch gern, denke aber sehnsüchtig an meinen Küchentisch in Ligurien... ;o)
amarylie
Durften Sie beim Cover mitentscheiden? Wenn ja, wie lange dauerte es, bis Sie sich für dieses entschieden haben?
Ulrike Bliefert
AutorInnen dürfen weder den Titel, noch die Gestaltung des Covers mitbestimmen. Ich finde das nicht produktiv, zumal die Graphikabteilung das Buch nicht liest und leider allzu oft Dinge auf das Cover bringt, die mit dem Inhalt nichts zu tun haben. Da könnten die Verlage etwas offener werden und sich zumindest mal anhören, was ein(e) Autor(in) zu den Entwürfen zu sagen hat.
Jessica
Meine Frage an die Autorin "Ulrike Bliefert" ist: Wissen Sie noch welches Buch sie als aller erstes Gelesen haben und dass Sie so gefesselt hat, dass Sie es nicht mehr aus der Hand legen konnten?
Ulrike Bliefert
Ja klar weiß ich das! Das war „Mecki im Schlaraffenland“ (erschienen 1952, ein Jahr nach meinem eigenen „Erscheinungsdatum“)! Ich konnte bereits mit 4 Jahren ein wenig lesen und habe mir die Buchstaben noch einzeln zusammensuchen müssen. Aber es ging!
netty
Was tun sie wenn sie Schreiblust haben, aber keine Ideen?
Ulrike Bliefert
Das gibt es nicht. Eine Idee hat zwingend die Lust, sie niederzuschreiben zur Folge. Aber wenn ich ein Konzept (sog. Exposé, d.h. eine kurze Zusammenfassung des nächsten Buchprojekts) abgeben muss und mir nichts einfällt („keine Idee“ und „keine Lust“, aber ein „Muss“!) verdonnere ich meinen Mann zu einem sog. „brainstorming“. Das heißt, ich setze mich mit ihm zusammen und gebe unsortiert irgendwelche Versatzstücke einer möglichen Geschichte zum besten; manchmal ist es auch nur ein Zeitungsartikel, der mich nachhaltig beschäftigt. Dann spinne ich daran herum und mein Mann kommentiert und/oder ergänzt das Gesagte. Wenn man Dinge, die einem im Kopf herum schwirren, laut ausspricht, werden sie ganz einfach besser „sortiert“. Und wenn die Gedanken sortiert sind, entspringt daraus auch ganz schnell eine Geschichte.
Mikha
Liebe Ulrike Bliefert: Was ist ihr "Patentrezept" wenn es mal so gar nicht klappen will mit dem Schreiben?
Ulrike Bliefert
Dann häkle oder stricke ich einen Tag lang (da kommt wenigstens irgendwas bei raus!) und dann schlafe eine Nacht darüber. Die Idee ist garantiert am nächsten Morgen da!
EveDeFun
Wie ist ein Drehbuch aufgebaut? Was steht dort alles drin?
Ulrike Bliefert
Ohje! Darüber werden und wurde dicke Bücher geschrieben!
Im Prinzip hat eine (Film-)Geschichte drei Akte. Einfach ausgedrückt: Es gibt einen Helden oder eine Heldin mit einem Problem (1. Akt), verschiedene Lösungsversuche (2. Akt) dann wird alles immer schlimmer und am Ende, wenn keiner mehr glaubt, es könnte eine Lösung geben, kommt die Schlussapotheose in Form eines Happy Ends oder eines totalen Scheiterns (3.Akt).
Im Prinzip stehen in einem Drehbuch die laufenden Bildnummern (es wird ja nicht chronologisch gedreht und die Bildnummern braucht man für die jeweilige Disposition – welche Bilder sollen gedreht werden, wer macht wann was? – jedes einzelnen Drehtages), die Drehorte (innen oder außen), die Lichtverhältnisse (Tag oder Nacht) – im Beispiel unten „A“ für außen und „T“ für Tag), die Dialoge und Tätigkeiten der agierenden Figuren, sowie ggf. Geräusche oder sog. „voice oder“-Texte (= gesprochenes Wort, das unter einer Szene liegt, s. z.B. „Magnum“: „Ich weiß, was Sie jetzt denken...“; manchmal sind es auch reine Erzählertexte) und ggf. Besonderheiten in Sachen Ausstattung, Kostüm und Maske, sowie Trickaufnahmen oder besondere Kameraeinstellungen.
Beispiel:
3/01 Vor Reihenhaussiedlung A/T
Früher Morgen in einer Reihenhaussiedlung. HERR HÖLLER führt seinen Kampfhund RÄPTA Gassi.
Vor dem Nachbarhaus haben die Kinder das übliche Gummistiefel-, Skateboard-, Abenteuerzeugs-Chaos hinterlassen. Am Straßenrand parkt ein schwarzer Smart mit dem Logo des Beck schen Bestattungsinstituts.
HERR HÖLLER (brabbelt mit Blick auf den Eingang des Nachbarhauses)
...Chaos...Nix auf der Reihe...Hippies!
(zu RÄPTA)
Nä? Räpta?
OFF
RÄPTA fiept und sabbert
HERR HÖLLER
Jaaa! Schön Kacki-Kacki machen, meine süße kleine Schweinebacke.
Sooo.
Feste drücken.
Jaaa. So is fein.
RENATE kommt aus dem Haus, und erfasst mit einem Doubletake die Lage.
RENATE
Hey! Sie ham se wohl nich mehr alle!
HERR HÖLLER (machohaft)
Guten Morgen erstmal. Ich bin der neue Nachbar.
(in James-Bond Manier)
Mein Name ist Höller. Meik Höller.
RENATE
Ahja. Mit der Lizenz zum Gehsteigvollscheißen, oder was?
(deutet auf die Hundekacke, versöhnlich)
Machen Sie das weg, und wir vergessen die Sache, O.K.?
Sie marschiert davon.
HERR HÖLLER (ruft ihr hinterher)
Sorgen Sie erstmal für Ordnung hier! Sie sind doch diejenige, die hier die Gegend mit ihrem Gerümpel verschandelt!
TANTE BI ist mittlerweile mit einem Einkaufskorb in der rechten Tür erschienen
TANTE BI (mit ängstlichem Blick auf RÄPTA)
Beißt der?
HÖLLER (mustert Tante Bi anzüglich)
Nur Hippies und Öko-Schlampen.
Hinter TANTE BI erscheint TITUS (im schwarzen Anzug, eine Urne in Händen).
TITUS (freundlich)
Is’ was?
HÖLLER (angesichts des schwarzen Anzugs sofort autoritätshörig)
Nee-nee. Allet schick. Sagen Sie Ihrer Frau, mein Hund beisst nur auf...ähm...ausdrückliche Anweisung.
TITUS
Na fein.
Äh...und...Das ist nicht meine Frau, sondern meine Schwester. Gestatten: Beck, Titus. Wie Exitus. Mein Vater hatte einen etwas morbiden Humor.
(gibt HERRN HÖLLER eine Visitenkarte)
Beck Nachfahren. Erd-, Feuer- und See-Bestattungen. Wir machen’s auch mit Hunden.
HERR HÖLLER wirft einen entsetzten Blick auf RÄPTA.
TANTE BI („springt hilfreich ein“)
Nur wenn mal was sein sollte...
TITUS (stellt die Urne in den Smart. Zu HÖLLER)
Schönen Tag noch!
(zu TANTE BI) Bis denno!
TITUS fährt mit dem Smart davon. HERR HÖLLER schaut dem Miniatur-Leichenwagen sprachlos hinterher.
TANTE BI (winkt dem Smart hinterher)
Ciao!
(liebenswürdig zu HÖLLER)
Für Urnenbestattungen reicht der Kleine vollauf.
HERR HÖLLER (verwirrt)
Hä?
TANTE BI
Oh, Verzeihung: Sabine Beck. Sie kennen mich vielleicht als Gwendolyn von Stoltzenberg: "Heimatglocken", “Liebesleid“...
(als keine Reaktion kommt, hoffnungsvoll)
"Alpenglühn"?
HÖLLER (glotzt verständnislos)
Wat?
TANTE BI
Aber für die meisten bin ich einfach Bi.
HERR HÖLLER
Hä?!
TANTE BI
Ja! Bi!
Von Sa-bi-ne.
(bescheiden "errötend")
Ich schreibe diese...Roman-Serien.
Naja... Man sieht sich.
TANTE BI drückt sich vorsichtig an RÄPTA vorbei und geht ab.
HERR HÖLLER (schaut ungewollt fasziniert dieser seltsamen Erscheinung hinterher)
Nee, is klar, Püppi...
Mittlerweile ist in der rechten Tür PAUL erschienen.
PAUL
Tach. Cooles Vieh! Ist das Ihrer? Hallo, Hund!
RÄPTA
/jault freudig auf/
RÄPTA stürmt wie von der Tarantel gestochen auf PAUL zu, um sich von ihm kuscheln zu lassen. Dabei reisst er HÖLLER die Hundeleine aus der Hand, HÖLLER stolpert und tritt in RÄPTAs Hundehaufen. Er blickt ungläubig an sich herunter.
HERR HÖLLER
Och nee...
Verdammte Scheiße!!!!! Räpta, Du Drecksvieh, verdammtes!!!
Inzwischen sind NELE und GESINE in die Tür getreten und haben die Bescherung mit angesehen.
GESINE
Uuups!
NELE (trocken)
Shit happens!
EveDeFun
Woher nehmen Sie die Ideen zu Ihren Büchern/Geschichten?
Ulrike Bliefert
Meist regt mich eine Nachrichtenmeldung oder ein Zeitungsartikel zu einer Geschichte an; speziell, wenn es um Ungerechtigkeiten oder Vorurteile geht. Dann versetze ich mich in die Situation des Opfers und stelle mir vor, wie ich mich wohl fühlen würde, wenn...
...ich erfahren würde, dass meine Mutter eine Mörderin ist (= mein nächstes Buch)
...mein Freund von allen gemobbt wird („Bitterherz“)
...mein Vater ein Verhältnis mit einer fast Gleichaltrigen anfängt („Lügenengel“)
Ein wirklich spannendes Interview ist das wieder geworden, findet ihr nicht auch? Ich finde es ja immer wahnsinnig interessant, Einblick in das Autorenleben zu bekommen.
Kommen wir nun aber zur Gewinnerin von "Eisrosensommer":
Jessica
Herzlichen Glückwunsch, liebe Jessica. Bitte schicke mir doch deine Adresse an anja.josua@freenet.de, damit dir dein Gewinn zugeschickt werden kann.
1 Kommentar:
Hallo und ohje! Da hat der Tippfehlerteufel zugeschlagen! Es heißt "voice over" und nicht "voice oder"! Herzlich grüßt Ulrike!
Kommentar veröffentlichen