Helmut Barz hat sich die Zeit genommen und alle eure Fragen beantwortet. Vielen Dank dafür, Herr Barz und natürlich auch vielen Dank an euch, dass ihr euch wieder so tolle Fragen ausgedacht habt. Der Gewinner des signierten Exemplares von "WestEnd Blues" wird wieder am Ende des Interviews bekannt gegeben. Viel Spaß beim Lesen wünsche ich euch.
Franzi
1. Wie sind Sie darauf gekommen, Krimis zu schreiben?
Helmut Barz
Das speist sich bei mir aus zwei Quellen: Ich lese selber gerne Krimis, wobei mein Geschmack eher bei der klassischen britischen Schule (Christie, Sayers, Rendell…) liegt, bzw. bei etwas schrägen Krimis (z. B. Fred Vargas) oder dem klassischen Noir-Krimi, weniger bei der "Wir umwickeln Sozialkritik mit einer mehr oder weniger spannenden Handlung"-Literatur.
Die andere Quelle lag in der Hauptfigur Katharina Klein, die aus dem Gespräch mit einer Schauspielerin mit koreanischer Mutter und deutschem Vater entstanden ist: Sie beklagte sich, dass ihr immer nur "asiatische Prostituierte mit Fistelstimme" angeboten werden und dass sie liebend gerne mal eine Kommissarin spielen wolle. Das hat bei mir einen Denkprozess in die Wege geleitet – und so hatte ich die Figur und damit auch das Genre.
Franzi
Wollten Sie schon immer eine Buchreihe schreiben?
Helmut Barz
"Schon immer" wäre übertrieben, aber die Katharina-Klein-Krimis waren von Anfang an als Reihe geplant.
Außerdem mag ich Buchreihen, zumindest einige wie etwa Jim Butchers "Dresden Files" – das weckt den Sammler und Jäger in mir.
Franzi
Haben Sie vielleicht vor, auch noch andere Bücher, in einem anderen Genre zu schreiben, oder wollen Sie den Krimis treu bleiben?
Helmut Barz
Katharina Klein und Andreas Amendt werden sicher weiter gemeinsame Fälle lösen (so ab dem 1. Oktober im dritten Band "Dolphin Dance"), aber langfristig habe ich auch Ideen für andere Genres. Mein erster Roman, "Weißes Blut" (www.weisses-blut.de), war übrigens ein klassischer Horrorroman. Mir schwebt zurzeit aber eine Art Cross-Over aus Krimi und Horror/Urban Fantasy vor.
Sinkana
Meine Frage ist: Woher nehmen Sie die Ideen für ihre Krimis? Ist vieles davon erfunden und nehmen Sie auch Teile von wahren Begebenheiten?
Helmut Barz
Ideen waren für mich glücklicherweise noch nie ein Problem. Einiges kommt aus meiner Umgebung, manches aus Zeitungsausschnitten oder anderen Nachrichtenquellen, allerdings sind die Geschichten letztlich komplett erfunden.
Ein Beispiel: Die Idee zu "African Boogie" entstand aus einem Fernsehbericht über ein Ferienresort in Kenia während der Unruhen (2008). Dort waren die Urlauber zwar sicher, aber faktisch eingeschlossen. Daraus ist dann über viele Umwege das Resort "Golden Rock" entstanden.
NiliBine
Wie kommt es, dass alle Titel einen musikalischen Bezug haben? Ist das noch ein Bindeglied zu Ihrer "Theatervergangenheit"?
Helmut Barz
Nein, nicht unbedingt. Der musikalische Bezug stellte sich über die Hauptfigur Andreas Amendt her, der auch ein sehr talentierter Musiker ist. Und danach fand ich die Idee einfach gut, den musikalischen Bezug als "Marke" beizubehalten. Außerdem setzen die Titel gleich eine bestimmte Stimmung: Der melancholische "Westend Blues" passt gut zur eher zurückhaltenden Stimmung des Romans und "African Boogie" gibt einen ebenfalls passenden, heitereren, etwas quirligeren Ton für den zweiten Band vor.
NiliBine
Gibt es reale Personen, die Vorbild für Ihre Figuren sind und wenn ja, wissen diese davon?
Helmut Barz
Ja, die gibt es durchaus. Ein Beispiel habe ich oben schon genannt. Außerdem treten einige Bekannte von mir (mit deren Einverständnis) in den Büchern auf, allerdings sehr verschlüsselt.
NiliBine
Wer darf Ihre Manuskripte als Erstes lesen, also außerhalb des Lektorats?
Helmut Barz
Ich habe ein paar Testleser/innen: Menschen, denen ich vertraue. Außerdem bekommt natürlich auch mein Agent das Manuskript vorab. Dabei versuche ich immer Feedback sowohl von Leuten zu holen, die die jeweils anderen Bände schon kennen, als auch von solchen, die die Vorgängerbände nicht gelesen haben.
NiliBine
Was tun Sie bei einer Leseblockade?
Helmut Barz
Meinen Sie eine Lese- oder Schreibblockade?
Bei einer Leseblockade liegt es vermutlich am Buch, also nehme ich mir ein anderes.
Richtig echte Schreibblockaden kann ich mir nicht unbedingt leisten, da ich vom Schreiben (in der Werbung) lebe: Nicht schreiben = kein Geld. Das motiviert doch ungemein. Natürlich gibt es manchmal Probleme, dass ich etwa in der Handlung stecken bleibe oder die Worte nicht so elegant fließen, wie ich das will. Im zweiten Fall schreibe ich trotzdem bis zum geplanten Punkt und repariere dann in der Überarbeitungsphase. Im ersten Fall gibt die Regel: "Der Fehler passierte zehn Seiten vorher" – das heißt, ich gehe rückwärts durch den Text und versuche, herauszufinden, was das Problem verursacht hat.
Chrisy
Welche Bücher lesen sie privat gerne?
Helmut Barz
Oha. Ich bin ziemlich biblioman. Zurzeit auf meinem Nachttisch: "Plugged" von Eoin Colfer, "The Family Fang" von Kevin Wilson, "The Lucifer Effect" von P. Zimbardo sowie zwei Bücher zu Kameraarbeit und Filmbeleuchtung.
lesenundmehr
Zu welcher Tageszeit schreiben Sie am liebsten?
Helmut Barz
Morgens oder nachts. Ich stehe in der Regel um 5.30 Uhr auf und sitze um 6 Uhr am Schreibtisch. Dann schreibe ich zwei Stunden für mich, dann ist eine Stunde Sport angesagt. Danach beginnt dann mein "Bürojob".
lesenundmehr
Haben Sie einen Lieblings-Schreibplatz?
Helmut Barz
Das variiert. Hauptsächlich arbeite ich an meinem Schreibtisch in meinem Büro. Im Sommer schreibe ich gerne auf meinem Balkon. Außerdem habe ich in meinem Schlafzimmer einen kleinen Tisch, an dem ich manchmal mit meinem Notebook sitze. Gelegentlich wechsele ich auch in ein Café oder in eine Bibliothek – allerdings zumeist erst in der Überarbeitungsphase.
lesenundmehr
Was inspiriert Sie?
Helmut Barz
Platt gesagt: das Leben. Ich versuche, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und zu schauen, was hängen bleibt. Eine Inspiration kann also aus ganz unterschiedlichen Quellen kommen: Ein Gespräch, eine Beobachtung, ein Erlebnis oder aus dem Versuch, einfach Zeit totzuschlagen. Wenn ich irgendwo warten muss, habe ich oft die besten Ideen.
lesenundmehr
Was hemmt und was beflügelt Sie?
Helmut Barz
Das Schreiben selbst, die Zeit dazu zu haben, ist schon sehr beflügelnd. Ich fühle mich dann oft wie ein Kind in seiner Sandkiste: Ich kann mit meinen Figuren spielen, mir Abenteuer für sie ausdenken … Das ist auch der Grund, warum ich schreibe.
Hemmen tun mich häufige Unterbrechungen (etwa durch Telefon) oder Besserwisser, die selbst noch nichts geleistet haben, aber einem ganz genau erklären, wie es geht.
Iris
Waren Sie schon mal in Afrika?
Helmut Barz
Ja, mehrfach. Unter anderem in Kenia, Namibia und Südafrika. In Südafrika, genauer in Kapstadt, habe ich auch mal ein halbes Jahr gelebt.
Iris
Warum haben Sie eine Frau als Ermittlerin gewählt?
Helmut Barz
Das hatte etwas mit der Inspiration zu der Figur zu tun (siehe Frage 1). Dass ich hauptsächlich aus der Perspektive von Katharina Klein schreibe, hat vor allem technische Gründe: Ich habe mit verschiedenen Perspektiven experimentiert und Katharina Klein erwies sich als recht praktikabel durch ihre sehr klare Weltsicht und dadurch, dass sie permanent aktiv ist. Andreas Amendt lässt sich ja oft einfach mitziehen.
Iris
Lesen Sie gerne Krimis und wenn ja, von welchen Autoren?
Helmut Barz
Das habe ich unter Frage 1 schon beantwortet.
EveDeFun
Woher haben Sie Ihre Ideen und wie denken Sie sich die Namen Ihrer Figuren aus?
Helmut Barz
Die Frage nach den Ideen habe ich oben schon beantwortet. Die Namen entstehen sehr unterschiedlich: So wollte ich für meine "exotische Kommissarin" einen richtig handfest-deutschen Namen, außerdem mag ich den Namen Katharina. Die Alliterationen bei ihr, Andreas Amendt und Paul Polanski waren dann eher eine Spielerei.
Namen haben durch ihren Klang allein Macht: Dirk-Marjan (aus African Boogie) klingt für mich einfach nach künstlerisch angehauchtem Loser, Sandra Herbst (auch aus African Boogie) nach tougher, zupackender Urwaldärztin.
Manchmal sehe ich auch Namensschilder mit interessanten Namen, die ich mir notiere. Und wenn es gar nicht anders geht, schaue ich in Telefonbücher.
Timm
1988 machten bestanden Sie Ihr Abitur. In den nächsten zwei Jahren arbeiteten Sie in verschiedenen Berliner Theatern. Woher kommt dieses Interesse für das Theater? Wer oder was hat sie dazu verleitet, Theaterwissenschaften zu studieren und später Autor und Regisseur zu werden?
Helmut Barz
Ich bin zum Theater gekommen wie die Jungfrau zum Kind: Ich musste zwischen Schule und Studium etwas Zeit überbrücken und da ergab sich eine Praktikumsmöglichkeit an einem kleinen Berliner Theater bei einem ziemlich großartigen Regisseur. Ich mochte einfach das Arbeitsumfeld und die Denke – so bin ich dann dabei geblieben.
Das Schreiben ist eine andere Geschichte: Ich habe mir, seit ich denken kann, gerne Geschichten ausgedacht – und irgendwann war es dann mal Zeit, diese Geschichten auch aufzuschreiben.
Timm
Ist es die pure Lust am Schreiben, die Sie dazu bringt, neben Ihren weiteren beruflichen Aktivitäten, Bücher zu schreiben? Und warum gerade einen Krimi?
Helmut Barz
Kurz und knapp: Ja!
Warum einen Krimi? Die Antwort finden Sie bei Frage 1.
Timm
In der Katharina-Klein-Krimireihe verbinden Sie die klassischen Elemente eines "Whodunnit-Krimis" mit der Welt der forensischen Wissenschaft. Haben Sie sich durch den Erfolg aktueller Serien im Fernsehen, wie z. B: "C.S.I New York" dazu inspirieren lassen?
Helmut Barz
Es mag sich angeberisch anhören, aber die Idee zur Paarung Gerichtsmediziner/Kommissarin hatte ich schon viel früher, noch bevor diese Serien entstanden oder nach Deutschland kamen. Die ursprüngliche Idee entstand 1998 oder 1999 aus einem Zeitungsartikel darüber, dass in Deutschland zu wenig obduziert wird, weshalb viele Tötungsdelikte übersehen werden. Fred Sellin und Klaus Weber haben darüber ein Buch geschrieben: "Todesursache natürlich", das mir auch als Ideengeber diente.
Aber ich mag Fernsehserien wie CSI und CSI NY (CSI Miami finde ich aber furchtbar). Und, das ist mir aber erst später aufgefallen, es gibt ganz, ganz, ganz entfernte Parallelen zu "Crossing Jordan", einer Serie, die ich gleichfalls sehr mag.
Timm
Warum haben Sie sich bei der Katharina-Klein-Krimireihe Deutschland, genauer gesagt Frankfurt, als "Austragungsort" ausgesucht?
Helmut Barz
Ich wohne dort oder zumindest in erreichbarer Nähe. Das gibt mir die Möglichkeit, schnell und einfach vor Ort zu recherchieren. Außerdem ist Frankfurt soziologisch sehr interessant: Sie ist Banken-, aber auch Literaturstadt, sie hat fantastische Museen, aber auch ein Armutsproblem. Und sie ist sehr heterogen: Jedem Frankfurtbesucher empfehle ich einen Spaziergang über die ganze Berger Straße vom Nordend nach Bornheim – man kommt durch Reich und Arm, an Mietskasernen und Luxus-Läden vorbei, bis man endlich in einem fast dörflichen Teil mit windschiefen Fachwerkhäusern landet.
Timm
Wie viele Romane sind für die Katharina-Klein-Krimireihe vorgesehen? Gibt es ein Ende? Was wird dem Leser in zukünftigen Teilen dieser Reihe erwarten?
Helmut Barz
Der dritte Band wird erst einmal einen ganz wesentlichen Handlungsstrang zu Ende bringen. Danach geht es dann mit einem neuen Ansatz weiter, wenn auch mit den gleichen Hauptfiguren. Wie viele Bücher es sein werden, weiß ich nicht: Das hängt von meinen Ideen ab und natürlich auch von den Lesern. Allerdings habe ich mir mal vorgenommen, nicht mehr als sieben zu schreiben, da viele Serien, die ich kenne, nach dem siebten Band bös an Qualität einbüßen. Aber mal schauen, was die Zukunft bringt.
Timm
Wann kommt der nächste Teil der Katharina-Klein-Krimireihe heraus? Gibt es dazu schon einen bestimmten Termin?
Helmut Barz
Erster Oktober 2012. Das Buch mit dem Titel "Dolphin Dance" ist aber bereits vorbestellbar.
Timm
Der Katharina-Klein-Krimi "West-End-Blues" besitzt einen Plot, der sich gut verfilmen lassen könnte. Bekamen sie dahin gehend bereits Anfragen?
Helmut Barz
Nein, leider noch nicht. Aber ich gebe das Hoffen und Träumen nicht auf.
Timm
Wenn Ihre Bücher verfilmt werden, sind Sie bei den Dreharbeiten dabei und sorgen für eine größtmögliche Umsetzung Ihres Buches oder lassen Sie dem Regisseur "freien Lauf" in seiner Inszenierung?
Helmut Barz
So weit wage ich gar nicht zu denken. Natürlich möchte ich meine Bücher zumindest im Geiste verwirklicht sehen und es gibt ein paar Elemente (z. B. dass Katharina Klein Halbasiatin ist), die ich für essenziell halte. Andere Sachen funktionieren filmisch gar nicht. Ich würde mich sicher ins Drehbuch einmischen, wenn man mich lässt. Bei der Regie würde ich natürlich versuchen, den richtigen Regisseur durchzusetzen (wenn man mich lässt – was nicht sehr wahrscheinlich ist), aber mich dann raushalten.
Timm
Zum Schluss nur noch eine Frage: Könnten Sie sich vorstellen einen Fantasy-Roman zu schreiben?
Helmut Barz
Böse Zungen behaupten ja, meine Krimis seien reine Fantasy… ;-)
Zählt Horror auch als Fantasy? Dann habe ich das bereits getan: "Weißes Blut" (www.weisses-blut.de). Außerdem habe ich Pläne für zwei Bücher, die eher in den Bereich "Urban Fantasy" fallen (wenn auch eher parodistisch), und eines, das in den Bereich Science Fiction fällt.
Wieder ein wirklich interessantes Interview. Ich finde es toll, Autoren mal näher "kennenzulernen" und vor allem so ehrliche und ausführliche Antworten zu euren Fragen zu lesen. Kommen wir aber nun zum Gewinner von einem signierten Exemplar von "WestEnd Blues":
lesenundmehr
Herzlichen Glückwunsch, liebe Tanja. Bitte schick mir doch deine Adresse an anja.josua@freenet.de.
3 Kommentare:
Wie peinlich, war natürlich eine SCHREIBblockade gemeint....
Tolles Interview ist es wieder geworden :-)
Glückwunsch auch der Gewinnerin!!!
Liebe Grüße
Bine
Vielen Dank an Helbut Barz für dieses tolle Interview. Sehr authentisch und sympathisch.
Schade, das ich das mir noch fehlende Exemplar erhalten habe.
Dennoch eine klasse Idee, die mir Spaß machte.
LG Timm
Das Buch ist da, das Buch ist da :-)
Ganz herzlichen Dank an Helmut Barz und an Dich ! Ich freue mich sehr über diesen tollen Gewinn :-)
Kommentar veröffentlichen